Zeichen
06. Nov 2025,

Zeichen der Zeit? Ja, das auch. Doch Zeichen waren wahrscheinlich die ersten Vorboten der Sprache selbst. Frag nur mal die alten Ägypter nach ihrer Kunst der Hieroglyphen.
Heute, im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, sind wir mehr denn je auf Zeichen angewiesen – und nutzen sie exzessiv. Zeichen ersparen den mühsamen Umweg über Sprache und Grammatik. Wobei: Auch die Sprache besteht letztlich nur aus Zeichen. Ein Dach mit Mittelbalken – für die meisten Menschen einfach ein A.
Die Geschichte der Menschheit ist eine gewaltige Sammlung von Zeichen.
Ein Zeichen zu setzen war oft der Beginn einer Bewegung. Martin Luther Kings “I have a dream.” Das Peace-Zeichen der Hippies. Greta Thunbergs Freitagsstreik fürs Klima. Sie alle haben Millionen bewegt – und aufgeregt. Ja, wir Menschen erregen uns gerne und oft.
Manchmal tauchen grosse Zeichen der Geschichte aus dem Nichts auf. Und sie sehen selten so aus, wie die Zukunftsforscher und Kolumnisten sie vorhergesagt haben.
Die Zeichen unserer Zeit – im Jahr 2025 – sind bunt gemischt: zwischen hoffnungsvoll humanistisch und aggressiv faschistisch.
Dann tauchte dieses eine Foto von 1936 auf: Eine Menge grüsst den Führer mit erhobener Hand. Alle – bis auf einen.
Ein Mann, der die Arme verschränkt. Sein Name: August Landmesser.
Eine schlichte Verweigerung in der Masse wird zum Symbol des Widerstands.
Vielleicht war es Landmesser. Vielleicht auch nicht. Doch die Geschichte, die sich an das Bild knüpft, ist wahr genug:
Ein Mann liebt Irma Eckler, eine Jüdin – und landet im Mahlwerk der Nürnberger Gesetze. Lager Börgermoor. Strafbataillon. 1944 gefallen. Irma verschwindet 1942 in der Bürokratie des Mordens, vermutlich in Bernburg.
Was bleibt? Ein unscheinbarer Moment, der uns bis heute anschaut – als stilles Zeichen der Unbeugsamkeit.
Zivilcourage kostet oft das, was wir am meisten zu verlieren haben: Freiheit. Familie. Das Leben.
Hinter Ikonenbildern stehen Gesichter, die nicht posieren – sondern bezahlen.
Und manchmal ist Widerstand nicht laut, sondern still: zwei Arme, fest verschränkt, gegen den Strom.
Ein Zeichen gegen die Mehrheit zu setzen ist schwer. Denn wir Homo Sapiens wollen dazugehören – nicht auffallen, nicht Ziel von Spott oder Hass werden.
Umso stärker sind jene, die genau das tun.
Wie schwer ist es, wenn eine ganze Gruppe nickt – und man selbst den Kopf schüttelt?
Oder wenn alle schweigen – und man sich zu Wort meldet?
Zivilcourage ist eines der mutigsten Zeichen, die Menschen setzen können. Sie ruft Ungerechtigkeit beim Namen – oder steht ihr einfach im Weg.
Oft sind es keine Helden von Beruf, sondern ganz normale Menschen, die in einem einzigen Moment das Richtige tun.
Rosa Parks tat genau das: Sie stand nicht auf – und machte Geschichte.
Im toxischen Wiederaufblühen des Faschismus im Jahr 2025 werden wir alle irgendwann gefordert, Zeichen zu setzen – für Menschlichkeit, für Gerechtigkeit, für Vernunft.
Und diese Zeichen müssen nicht von Einzelnen kommen.
Grassroots-Bewegungen geben Halt, schaffen Zusammenhalt. Sie machen Mut.
- Mut zum Aussergewöhnlichen.
- Mut zum Aufstehen.
- Mut zur Gerechtigkeit.
- Mut zur Menschlichkeit.
Und ganz nebenbei: Aufstehen ist exzellentes Muskeltraining. Für Geist und Körper.
